Nachlese des Programms 2015

Seeleschokolaad und Saitenjazz

Es ist gute Tradition, die Bergzaberner BuchLese mit einer Mundart-Lesung im Weingut Stefan und Nicole Hitziger zu beginnen.

 

Unter der Überschrift „Seeleschokolaad und Saitenjazz“ las am 17.9.2015 der Herxheimer Autor Michael Bauer seine „Winzliebeslyrics“, beginnend mit zu Herzen gehenden Liebesgedichten, wie seinem gut bekannten „Sei mei Seeleschokolaad“. So heißt auch das in diesem Jahr erschiene Buch. Oder die Geschichte des aufgeregten jungen Mannes, der dringend die rote Liebestinte für ein Schreiben an seine Liebste benötigt.

 

Michael Bauer unterhielt mit viel Witz und Tiefgang, virtuos unterstützt und begleitet wurden die lyrischen Verse von dem Landauer Benno Burkhart auf seiner Gitarre mit jazzigen Stücken, bekannten Klassikern und Eigenkompositionen.

 

Benno Burkhart ist kurzfristig für die verhinderte Liedermacherin Martina Gemmar eingesprungen. Beide haben sich – obwohl ohne Proben und Absprachen – auf Anhieb verstanden und ergänzt. Das Publikum genoss einen höchst amüsanten Abend und bat um Zugaben.

"Die sanfte Linie..."

Unter dieser Überschrift flog am Sonntag, den 20. September zur Matineestunde, die Bergzaberner BuchLese nach Landau zur Landesgartenschau aus. In Zusammenarbeit mit der Universität Koblenz-Landau wurden auf dem CulturCampus Gedichte von Martha Saalfeld vorgetragen. Die Dichterin, 1898 in Landau geboren, lebte von 1948 bis 1976 in Bad Bergzabern.

 

Heute berühren sich zwei Städte ...“, Renate Becker begann die Lesung mit einer kurzen Einführung. Es war ihr wichtig zu erklären, dass Martha Saalfelds Gedichte erst dann richtig zum Klingen kommen und eine ganz eigene Melodik entwickeln, wenn sie inhaltlich – und nicht dem Reim nach – gesprochen werden.

 

Die Lesung wurde in drei Themenbereiche aufgeteilt:

Pfälzische Landschaft“ - „Herbst“ - „Der unendliche Weg“.

 

Zur Überraschung des Publikums präsentierte Renate Becker beim Vortragen des Gedichtes "Der Komet" einen von Martha Saalfelds Ehemann gestalteten Linoldruck zum Gedicht, der sehr beeindruckend die schon als symbiotisch zu bezeichnende Zusammenarbeit des Künstlerpaars Saalfeld-vom Scheidt erkennen ließ.

 

Lukas Grimm umrahmte am Piano musikalisch die Lyrik-Lesung und interpretierte die Gedichte virtuos mit einfühlsamen Improvisationen. Zur Überraschung des Publikums rezitierte auch er gekonnt drei Gedichte aus dem Zyklus "Herbst".

 

Die Zuhörer ließen sich verzaubern und waren sich am Ende einig, einer - im wahrsten Sinne des Wortes - lyrischen Lesung beigewohnt zu haben. Dieses Empfinden konnte auch kein zu laut geratener Soundcheck einer benachbarten Bühne stören, der eine kurze Unterbrechung nötig machte.

Auf einen Tee in der Wüste“

In einer gut besuchten Lesung im Haus der Familie, stellte Monika Westphal, Mitorganisatorin der Bergzaberner BuchLese, am 21. September das Buch "Auf einen Tee in der Wüste" vor. Schwester Jordana beschreibt in diesem Buch sehr beeindruckend ihre Reise, die sie im Jahr 2011 auf der Route der mittelalterlichen Kreuzfahrer, beginnend in Istanbul, über den Libanon, durch Jordanien, bis nach Jerusalem führte.

 

Schon damals zeigten sich bereits die Anfänge der Katastrophe in Syrien, mit Flüchtlingslagern im Libanon, von denen Schwester Jordana einfühlsam und mit großer Anteilnahme berichtet. Mit aktuellen Zahlen zu Flüchtlingen und Opfern stellte Monika Westphal einen konkreten Bezug zur derzeitigen Flüchtlingswelle her.

 

Schwester Jordana traf auf ihrer sechswöchigen Reise viele interessante Menschen aus Kultur, Religion und Politik. Sie lässt die Leser teilnehmen an ihren eigenen Gedanken zu Gott und der Welt, die überaus lesenswert sind. Gleichzeitig gibt sie Einblicke in die so unübersichtliche und gefährliche Situation im Nahen Osten. Aber sie kann auch von hoffnungsvollen Dingen berichten, wenn sie das Schulprojekt "Die Brücke über den Wadi" beschreibt, in dem jüdische und palästinensische Kinder gemeinsam unterrichtet werden. Eine sicher ganz besondere Begegnung erlebt sie in der Negev-Wüste auf einer Hochzeit, eben "auf einem Tee in der Wüste". Wie schon vorher ein Musikstück mit der im Nahen Osten bekannten Neyflöte, brachte Monika Westphal nun noch, passend dazu, eine Hochzeitsmusik zu Gehör.

Die Zuhörer waren sich einig, eine ganz besondere, berührende Lesung erlebt zu haben; denn sie bedankten sich mit einem langen Applaus. (rbm)

Monika Westphal

Meine kleine Schwester Kiki und ich“

Madita Ebert, Gewinnerin des Vorlesewettbewerbs 2014, konnte sich freuen: waren doch zu ihrer Vorlesestunde am 23. September in der Bibliothek des Alfred-Grosser-Schulzentrums nicht nur zahlreiche Schüler der Orientierungsstufe gekommen, sondern auch Kinder der Böhämmer-Grundschule von nebenan.

 

Interessiert lauschten sie der Vorleserin, die sich den ersten Band von dreien, "Meine kleine Schwester Kiki und ich", von Jenny Valentine, zum Vorlesen ausgesucht hatte. Mitreißend im Lesetempo zog sie ihre Zuhörer hinein in die Verwirrung, die Maxi in ihrer Familie auslöst, als sie darauf besteht, nunmehr Kiki zu heißen. Und Floh, die große Schwester, die die Geschichte erzählt, gibt mit flapsigen Sprüchen unterdessen Einblick in den munteren "Familienbetrieb".

 

Madita Ebert, mittlerweile in der siebten Klasse, verstand es, ihre jüngeren Zuhörer so zu fesseln, dass sie gebeten wurde, noch ein wenig weiter zu lesen. Nachdem einige Schüler sich für das Buch interessierten, gab es das Versprechen, dass es demnächst in der Schulbibliothek ausgeliehen werden kann. Ein Junge bedankte sich mit Handschlag bei der Vorleserin und Renate Becker von der Bergzaberner BuchLese mit einem Büchergutschein.

 

Die Lesung in der Schule zeigte wieder einmal, dass es möglich ist, durch Vorstellen von Büchern die Lust am Lesen zu wecken. Darum soll auch im nächsten Schuljahr in der Bibliothek des Alfred-Grosser-Schulzentrums wieder eine Lesung stattfinden.

Rosinchen und die rätselhafte Verschwörung“

In diesem Jahr sollten die Zweitklässler der Böhämmer-Grundschule eine besondere Lesung im Rahmen der Bergzaberner BuchLese erleben. Hatte doch die Autorin Anna-Lena Bratz, wie sie zu Anfang bekannt gab, an dieser Schule selbst lesen und schreiben gelernt. Und am 25. September las sie aus ihrem ersten Band, dem noch ein zweiter folgen wird. Das klang interessant!

 

Die Geschichte beginnt friedlich und führt zunächst in eine Idylle in der Natur. Doch sehr schnell fanden sich die konzentriert zuhörenden Kinder in ein spannendes Geschehen um die kleine Haselmaus Rosinchen, die kranke Eulenkönigin Schnabel und den hinterhältigen Waldkauz Krallenfuß hinein gezogen. Gespannt lauschten sie der Geschichte, in der die agierenden Tiere sehr menschliche Verhaltensweisen zeigen, um zu hören, wie die heile Welt langsam aus den Fugen gerät. Von der Autorin gefragt, ob sie denn noch weiter lesen solle, waren sich die Kinder einig - ja!

 

Das gab ihnen die Möglichkeit, noch eine weitere "Hauptfigur" der Geschichte kennen zu lernen, nämlich Paul, der sich als Springmaus mit seiner ganzen Kraft zunächst mal gegen den Kater Ramses zur Wehr setzen muss. Welche Rolle er in dieser Geschichte spielen und wie das Abenteuer Rosinchens enden wird, blieb offen - ein Grund das Buch selbst zu lesen. "Beruhigend" für die Kinder war, dass Frau Sternberg-Fedderken, von der Stadtbücherei, die bei der Lesung anwesend war, das Buch mitgebracht hatte, um zu zeigen, dass man es dort ausleihen könne. Auch in der Bibliothek der Böhämmer Grundschule werden die Kinder das Buch demnächst zur Ausleihe vorfinden.

 

Die Bergzaberner BuchLese bedankte sich bei Anna-Lena Bratz für diese Lesung, die zum eigenen Lesen anregen sollte, und für das Angebot, auch den zweiten Band nach seinem Erscheinen an ihrer ehemaligen Grundschule vorzustellen. (rmb)

Anna-Lena Bratz

Seelisch verwundbar“

Wer kennt sie nicht, die Geschichten von Erich Kästner: „Emil und die Detektive“, „Das doppelte Lottchen“, „Das fliegende Klassenzimmer“, „Pünktchen und Anton“ und viele mehr - die uns alle schöne Stunden bereitet haben.

Die andere Seite des Humoristen Erich Kästner, mit seiner nachdenklichen und genau beobachtenden Lyrik, ist weniger bekannt.

 

Dr. Emmy Löffler hat uns diesen Erich Kästner in ihrer Lesung am 29. September im Haus des Gastes sehr anschaulich vorgestellt. Geboren 1899 in Dresden in ärmlichen Verhältnissen, hat er die bitteren Zeiten beider Weltkriege mitmachen müssen. Die ihn überaus liebende und umsorgende Mutter ermöglichte ihm die kostspielige Ausbildung, die er mit einer Promotion in Philosophie abschließen konnte. Berufsverbot erhält er in der Nazi-Zeit durch seinen treffsicheren Witz gegen spießbürgerliche Moral, Militarismus und Faschismus. Aber er bleibt in Deutschland:

 

Ich bin ein Deutscher aus Dresden in Sachsen.
Mich lässt die Heimat nicht fort.
Ich bin wie ein Baum, der – in Deutschland gewachsen –
wenn’s sein muss, in Deutschland verdorrt.“

 

Nach dem Krieg ging Kästner nach München, wo er seine journalistische und schriftstellerische Arbeit fortsetzte, und er erhält viele Preise. Er stirbt am 29.7.1974 in München.

 

Kästner hinterließ ein umfangreiches Werk, aus dem Dr. Löffler in ihrer bekannten und beliebten Art eine beeindruckende Auswahl vorstellte. Zum Schluss hörte das konzentriert lauschende Publikum das bedeutsame Gedicht „Eisenbahngleichnis“

von 1932.

„Der untiefere Sinn“

Die BuchLese gastierte erstmalig am 1. Oktober in den Räumen der Manufaktur Rebmann. Der Bergzaberner Autor

Oskar Chamier führte sein Publikum mit seinen Gedankenspielen in lyrische Untiefen, die er in verschiedensten Versformen anschaulich erklärte und mit einem „Zwinkern“ vortrug. In einer bunten Mischung vom Schüttelreim, über Limericks und Leberreime, zu Klapphornversen war viel Amüsantes, Sinniges und Unsinniges dabei, wie z.B. dieser Limerick:

 

Alte in Wismar

Es nahm eine Alte in Wismar

einen Haarriss an ihrem Gebiss wahr.

Sie kämmte die Zähne

und entfernte die Strähne,

bei der im Gebisshaar der Riss war.

 

Das Salz der Erde

Am 5. Oktober war auch in diesem Jahr wieder die BuchLese Gast in der Stadtmühle und Weingut Augspurger – und zwar mit einem höchst passenden Thema. Daniel Wolf führte das Publikum mit seinem Buch ins tiefe Mittelalter, in die Zeit von König Barbarossa, nach Oberlothringen, in eine fiktive Stadt. Sehr kenntnisreich werden die Lebensumstände dieser Zeit beschrieben und mit beeindruckender Lebendigkeit die Protagonisten skizziert. Man fühlt sich in diese Ära hineinversetzt, mit ihren Kämpfen, Nöten und Sorgen, der Armut und den täglichen Widrigkeiten mit der herrschenden Klasse. Die Mühle gab passende ächzende und klappernde Laute von sich und lieferte die perfekte Stimmung.

Daniel Wolf hat lange für seine Bücher recherchiert. „Licht der Welt“ ist eine Fortsetzung seines Romans „Salz der Erde“, an der dritten Fortsetzung wird gearbeitet – wie er seinen gebannt lauschenden Zuhörern verriet.

Daniel Wolf

Ist das Faultier wirklich faul ?

Am 7. Oktober stellte Hans-Joachim Schatz aus Edenkoben im Weingut Knöll & Vogel sein gleichnamiges Buch vor.

Von klein auf hat er sich für die Tierwelt interessiert, und dabei ist es auch geblieben. Auf ganz amüsante Weise setzt er sich für den Artenschutz ein: Irgendwann entdeckt er die diskriminierenden Namen, die die Menschen den Tieren gaben – und das fasziniert ihn so, dass er immer weiter forscht. Was hat man sich nur bei Tiernamen wie Bratpfannenwels, Vielfraß, Faultier, Unglückshäher gedacht, die eher Hohn und Spott ausdrücken?

Und so versammeln sich alle Tiere dieser Erde in Kenia zu einer Konferenz, um ihre Verärgerung mit einer Resolution an die UN auszudrücken. Nur, wird der Mensch hören und die Namen ändern ...?

 

Was fiel euch nur bei anderen Namen ein?

Tiere sollen stinken, faul, schmutzig und gefräßig sein?

Beleidigt habt ihr viele Artgenossen,

wir sind bestürzt und sehr verdrossen.

Ihr spürt es nicht wie manche Tiere leiden,

weil ihre Namen Hohn verbreiten....“

 

Hans-Joachim Schatz berichtete sehr anschaulich von seinen Tier-Begegnungen, die er bei den Reisen in viele Länder hatte, und veranschaulichte dies durch wunderschöne Skizzen, Illustrationen und einige Tierpräparate. Auch machte er klar, dass das Faultier überhaupt nicht faul und der Vielfraß nicht gefräßig ist.

Suche Heimat, biete Verwirrung“

Proschat Madani stellte am 8. Oktober im Haus des Gastes ihr Erstlingswerk vor. Die aus Film und Fernsehen bekannte Schauspielerin sucht nach ihren Wurzeln und setzt sich mit dem „Anderssein“ in dem Geburtsland Iran, das sie mit 2 Jahren verlässt, auseinander. Oder ist sie Österreicherin, weil sie in Wien aufgewachsen ist? Oder eher doch Deutsche nach 12 Jahren Berlin? Ihr persisch, das sie eher versteht als sprechen kann, hat einen deutschen Klang, ihr deutsch einen Wiener Dialekt, ihr Aussehen jedoch ist ganz klar nicht mitteleuropäisch.... Also, wo ist sie zu Hause?

Ihr Buch ist keine Biografie, enthält jedoch viele Komponenten und Erfahrungen aus ihrem Leben. Sie erzählt sehr lebendig und mit viel Humor vom ersten Drehtag in Berlin, ihre Gespräche mit dem Chauffeur, dem Regisseur und der Maskenbildnerin, man hat das Gefühl, „dabei“ zu sein.

Proschat Madani ist eine wunderbare Vorleserin, wobei ihr die Erfahrungen als Schauspielerin natürlich sehr helfen. Im Anschluss an die Lesung wurden noch viele Fragen aus dem Publikum beantwortet. Es wurde viel gelacht und es war ein kurzweiliger und sehr interessanter Abend.

"Sinn im Unsinn"

Hut ab vor dem jungen "Mann mit Hut"

Sein Markenzeichen ist wohl der Hut. Beschwingt betritt der junge Schriftsteller Manuel Zerwas, der in diesem Jahr den Martha-Saalfeld-Förderpreis entgegennehmen konnte, am 12. Oktober das Podest des Musiksaales im Gymnasium des Alfred-Grosser-Schulzentrums in Bad Bergzabern. Zahlreiche Schüler mit ihren Lehrern waren gekommen, um gespannt und konzentriert den erklärenden Ausführungen und Kostproben aus Lyrik und Prosa zu lauschen, traf doch dieser junge Schriftsteller mit seiner spritzig-witzigen, ironisch-sarkastischen Sprache, sich bewusst jeglicher Metrik verweigernd, die Tonart der Jugend von heute. Augenzwinkernd, aber auch ernsthaft nachdenklich, stellt der Autor von zahlreichen Kurzgeschichten seine Fragen nach dem Sinn des Lebens, nennt seinen quadratischen Lyrikband "Sinn im Unsinn", um sich darin Gedanken über Gott, mit dem er einen Dialog führt, und die Welt zu machen.

 

In seinen "texten über die absurde schönheit des lebens, das voller geheimnisse und rätsel, voller ärgernisse und freuden ist", findet sich eine Liebeserklärung, später "Gefühle, Gedanken und Kartoffelsalat", Texte, die Manuel Zerwas gekonnt zur Sprache bringt. Blues-Gefühle kommen auf, als er einen Text im Wechsel mit Mundharmonikaklängen zu Gehör bringt - "eine bunte melancholie, über die man staunen kann".

 

Ein erfrischender Abend, den man so frei in der Sprache und in subjektiv ehrlichen Gedanken nicht erwartet hatte. (rbm)

"Wunderschöne Absurdität des Lebens"

So lautete der Titel der Lesung am Donnerstag, dem 15. Oktober, an dem Manuel Zerwas, der in diesem Jahr den Martha-Saalfeld-Förderpreis entgegennehmen konnte, seine Zuhörer mit Lyrik und Prosa in den Bann zog. Sinnfälligerweise fand die Lesung im Museum statt, in dem sich auch die Martha Saalfeld - vom Scheidt - Gedächtnisstätte befindet.

In der Kurzgeschichte "Götterdämmerung" behandelt der Autor in einem Dialog mit GOTT Banalitäten des Lebens ebenso, wie grundlegende Menschheitsfragen, gespickt mit komischen Momenten und Verfremdungen. Viele Fragen werden gestellt und warten immer noch auf Beantwortung - Menschheitsfragen eben.

Dann die Lyrik; entnommen dem Band "sinn im unsinn", im Vorwort: "Schriftstellerische Gehversuche seit jeher... Schreibt, weil er will". In seinem Gedicht "Weil das Leben schön ist" fängt der Autor Augenblicke menschlichen Lebens ein. Hier kann sich der Zuhörer einordnen oder orten, wo bei ihm das Leben schön ist - alles ist relativ. "Liebeserklärung" - auch hier findet sich der Zuhörer wieder mit seinen Lebensträumen. Eindringlich: "Ich will viel ganz viel und davon noch mehr... Ich will das Leben"

Manuel Zerwas, ein junger Mann von 28 Jahren, macht sich in Lyrik und Prosa endlos viele Gedanken über das Leben, über Gott und die Welt.

In der Kurzgeschichte "Rot" findet sich der Zuhörer, zusammen mit den zwei Protagonisten, im Rotlichtmilieu und erlebt die ganz unterschiedliche Auseinandersetzung mit einem Thema, das eher hinter vorgehaltener Hand zur Sprache kommt.

Die Kurzgeschichte "Tür zur Hölle" zieht den Zuhörer - atemberaubend in Sprache und Ausdruck - in die Gefühlswelt eines sich betrogen fühlenden Ehemanns und lässt ihn, zusammen mit diesem, in dem entstandenen voluminösen Gedankengebäude, mit einem abrupten Ende allein und nachdenklich zurück.

Mit dem Gedicht "Nur eine Minute" schloss der junge Schriftsteller seine sehr beeindruckende Lesung. (rbm)

 

Nur eine Minute

 

Ein Tag hat 24 Stunden

 

Und 23 Stunden und 59 Minuten davon

hab ich von dir geträumt

 

Eine Minute war ich ohnmächtig

 

Weil ich mit dem Kopf

gegen eine Laterne gelaufen bin.

Manuel Zerwas (c) Renate Becker

Was müsste Luther heute sagen

Das war sicher das Highlight der diesjährigen Bergzaberner BuchLese in der vollbesetzten Marktkirche am 18. Oktober:

Der Jesuitenschüler Dr. Heiner Geissler, als politischer Querkopf gut bekannt, hält mit seiner Meinung nicht hinter dem Berg und kritisiert vehement das Wirtschaftssystem, nicht nur in Deutschland – weltweit könnten die christlichen Kirchen mit ihren 2 Milliarden Mitgliedern viel mehr Einfluss auf Fehlentwicklungen nehmen. So wie Luther seinerzeit gegen Macht und Protz der Päpste, den Ablasshandel und die Verquickung von Religion und Geld kämpfte, könnten heute die Christen – gemeinsam – gegen den Machtmissbrauch und fehlende Solidarität vorgehen.

 

Ein besonderes Anliegen ist ihm die Stellung der Frau. Das Bild der „versuchenden“ Eva aus dem Alten Testament hält sich bis heute hartnäckig und hat viel Leid für die Frauen gebracht. Dass Jesus mit keinem Wort gegen die Gleichberechtigung war, wird hingegen viel zu wenig herausgestellt.

 

Stellung bezieht Dr. Geissler auch zur Flüchtigsthematik und lobt die Kanzlerin für ihre Entscheidung, mit der Grenzöffnung nach Ungarn Menschen aus akuter Not zu helfen. Dr. Heiner Geissler hat ein wichtiges Buch zu aktuellen Fragen geschrieben, das viele Denkanstöße bietet. Mit seinen 85 Jahren ist er nach wie vor ein brillianter Redner und bekam von seinen Zuhörern viel Applaus, und etliche Besucher ließen sich das gekaufte Buch von ihm signieren.

Der Palast des Regenbogens

Stadtbürgermeister Dr. med. Fred-Holger Ludwig stellte am 20. Oktober im Alten Rathaus die Autobiografie des tibetischen Arztes Tenzin Choedrak vor. Es sei eines seiner Lieblingsbücher, betonte er, weil das Leben und Wirken dieses außergewöhnlichen Mannes jedem Menschen sehr nahe gehen muss.

 

Geboren 1922 in ärmlichsten Verhältnissen in Tebet und aufgewachsen als Halbwaise, wird er viel geschlagen und misshandelt. Er entwickelt jedoch früh den Wunsch, Arzt zu werden und macht sich als Jugendlicher auf den Weg nach Lhasa, um unter schwierigsten Umständen Medizin zu studieren. 1952 schließt er das Studium ab und erwirbt sich bald einen herausragenden Ruf, 1956 behandelt er erfolgreich die Mutter des Dalai Lama, der ihn daraufhin zu einem seiner Leibärzte macht.

 

Und dann wird Tibet 1959 durch China besetzt. Der Dalai Lama flüchtet nach Indien und sein gesamtes Umfeld wird verhaftet. Tenzin Choedrak erfährt schlimmste Folter in den folgenden 20 Jahren. Er überlebt nur, weil er sich durch seine Pflanzenkenntnisse seine Gesundheit erhalten kann. Das spricht sich auch herum bei den chinesischen Peinigern, die sich von ihm behandeln lassen.

Durch Vermittlung kann er 1979 Tibet verlassen und wird wieder Leibarzt des Dalai Lama.

 

Dr. Ludwig legte dar, wie herausragend die medizinischen Kenntnisse in Tibet waren, durch die chinesische Besatzung wurde jedoch fast das gesamte Wissen ausgelöscht, das heute nur äußerst mühsam wieder aufgebaut wird, wie z.B. die Diagnose über die Pulstherapie. Zur Überraschung der westlichen Schulmedizin zeigte sich die tibetische Diagnose und Therapie oftmals wirkungsvoller.

„Und dann gab's keines mehr“

Erstmalig war das Hotel Friedrichsruhe am 23. Oktober Gastgeber für die Bergzaberner BuchLese – und hier endete auch die Saison 2015 – mit einem ganz außergewöhnlichen Programm:

Anke Scholz präsentierte mit ihrem ArtisjokTheater das Kriminalstück „Zehn kleine Negerlein“ von Agatha Christie, ein Puppenspiel für Kinder und Erwachsene. Aber: ist dieser Titel heute überhaupt noch – politisch korrekt? Nein, heute müsste es „Zehn kleine Schwarzafrikaner“ heißen, wie Anke Scholz eingangs richtigstellte.

Aufgebaut war eine kleine Bühne für das 1-Frau-Theater und die Darsteller – liebevoll gestaltete zehn Puppen mit überzeichneten englischen Charakteren – wurden von Anke Scholz sowohl durch ausdrucksstarke Stimmen als auch in ihren eigenen Bewegungen Leben eingehaucht und durch das Stück geführt. Bewundernswert, wie ihr dieses Kunststück gelingt.

Einer nach dem anderen wird ermordet, begleitet von dem immer wieder gesungenen Kinderreim von den zehn kleinen Negerlein – jeweils ein Negerköpfchen fällt – bis schlussendlich niemand mehr übrig bleibt, bis auf die Puppenspielerin selbst, die im gleichen Kostüm agiert wie die ermittelnde Staatsanwältin, und am Ende die Rolle der Anwältin übernimmt.

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